Abschlußbericht

Sozio-kinetische Plastik

EXPEDITION ZUKUNFT

4. Rollende Zukunftswerkstatt

4. Travelling Workshop of the Future

Ein Projekt von

Concept Nouveau- Fleiner & Wagner

Kulturkonzepte, Klangdesign, Konzeptkunst

und dem

Wladiwostok e.V.

Beim Amtsgericht Heidelberg gemeinnützig anerkannter und eingetragener Verein

Postal adress:

ehem. Schlossgaertnerei Langenzell

D-69257 Wiesenbach/Baden

ph. **49 (0) 62 23/970051

fax. **49 (0) 62 23/970052

e-mail : fleiner@kgbnet.de

zur homepage von Concept Nouveau
Address tags are inserted

Gefördert aus dem THERMIE-PROGRAMM der Europäischen Gemeinschaft

home


Inserts an HR tag and a horizontal rule across the width of the page.

Im Gedenken an

Ernst Bloch

Robert Jungk

Joseph Beuys

Concept Nouveau hat es sich zur Aufgabe gemacht an der von Joseph Beuys begonnenen sozialen Plastik weiterzuarbeiten. Jeder Mensch ist ein Künstler: Das heisst, jeder Mensch trägt die Fähigkeit und den Auftrag in sich, diese Welt im Geiste eines libertären Humanismus würdig zu gestalten.

Die Rollenden Zukunftswerkstätten besuchen und vernetzen Menschen, die persönliche oder gesellschaftliche Utopien in ihren konkreten Lebensentwürfen realisieren.



 

Übersicht:

Einleitung: "Rollenden Zukunftswerkstätten" seit 1990

Die "Europäische Vierte":

1. Tag, 9.9.94: Marktktredwitz-Kiel-Glücksburg, Begegnungen zwischen Ost und West

THERMIE-relevante Themen: Ökosiedlung mit Energieoptimierten Wohn- und Arbeitsgebäuden und Block-Heiz-Kraftwerk.

2. Tag, 10.9.94: "artefact e.V.", Glücksburg. Kolding Hoischoole

THERMIE-relevante Themen: Stirlingantrieb, low-energy Architektur besonders bei Baumaterialien (Lehm & Recyclingbaustoffe), Solarunterstützte Klärtechnik, Biogas, Energielehrpfad

Internationale Bildungseinrichtungen

3. Tag, 11.9.94: Hjulby Hegu in Spoerring/Trige bei Aarhus, Hjortshoi Samfund und Snedstedt Gaia Foundation

THERMIE-relevante Themen: Solararchitektur im sozialen Wohnungsbau, Energiemanagement im Gebäude, engergiesparende Baukonzepte

4. Tag, 12.11.94: Nordvestjysk Folkecenter for vedvarende Energi, Tvindseminarium

THERMIE-relevante Themen: Windenergie, Solarenergie, EG gefördertes EnergiePlus Haus, Wärmepumpen, Entwicklung regionaler Energiequellen, europäische Forschungseinrichtung.

5. Tag, 13.11.94: Windpark "Friedrich-Wilhelm-Lübcke Koog" und Stadtwerke Husum,

THERMIE-relevante Themen: Bürgerbeteiligung im Planungsverfahren bei Windanlagen, Produktionschancen im Werftbau durch alternative Energien. EG-geförderter Windpark

6. Tag, 14.9.94: Permakultur, integrierte Konzepte für Stadt und Land

THERMIE-relevante Themen: Energiesparende Landwirtschaftskonzepte und Sied- lungsstrukturen

7. Tag, 15.9.94: Umweltstation am Deister

THERMIE-relevante Themen: Niedrigenergie Gästehaus, Selbstversorgungslandwirt- schaft

8.-10. Tag, 16.9.-18.9.94: Lehmbau, Leichtbau, Fahrzeugbau und M.U.T., Gesamthochschule Kassel

THERMIE-relevante Themen: Umweltsystemanalyse, Computersimulation und Modellbildung in Bezug auf Energieszenarien, Fahrzeugleichtbau und Solarfahrzeugbau, Energieumwandlungsprozesse und Stadtklima, Energieoptimiertes Bauen, Brennwerttechologie

11. & 12. Tag, 19.9.-20.9.94: Berlin, Heizkraftwerk Reutter und die "Thermie"- Ausstellung, Ökoprojekt Ufa-Fabrik,

THERMIE-relevante Themen: Eröffnung der Thermie-Ausstellung im Martin Gropius Bau, modernes innerstädtisches Heizkraftwerk der BEWAG mit Modellcharakter, Schadstoffemissionsminderung bei Energienutzung und -erzeugung.

13. Tag, 21.9.94: Technologie- und Ökologiebetriebe Ebertsheim/Pfalz, Bildungswerk Rheinlandpfälzischer Initiativen (Forum BRI), Buntstift-Stiftung, Chor für neue Musik, Grünstadt

THERMIE-relevante Themen: Gasgefeuertes Blockheizkraftwerk, Umnutzung von Industriebrachen, biologischer Landbau und regionale Direktvermarktung, europäische Bildungsarbeit beim Forum BRI

14. Tag, 22.9.94: Stuttgart, Solar e.V.

Thermierelevante Themen: Solar- und Elektrofahrzeugbau unter unterschiedlichen Aspekten, Solarluftschiff, Wasserstofftechnologie, Spiegeltechnologie, Stirlingantrieb,

15. Tag, 23.9.94: Sonnenarchitektur, Vernetzung und Marktwirtschaft, Tübingen LogId und Stadtsanierungsamt:

THERMIE-relevante Themen: Energieoptimierung bei Gebäuden, passive Solarenergie, Solarenergie und Altbausubstanz

16. Tag, 24.9.94: Karlsruhe, Fachinformationszentrum (FIZ) und Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM)

THERMIE-relevante Themen: Nutzung von Datenbanken im Energiebereich, Vorstellung von einem THERMIE-Opet, Einsatzmöglichkeiten von virtuell reality

17. Tag, 25.9.94: "Haus Sonne" in Aitern-Multen, HTC-Solar in Lörrach, Vitra Design Zentrum in Weil am Rhein.

THERMIE-relevante Themen: Solar- und Tageslichttechnologie, energieoptimiertes Tagungungshaus, Energiesparstrategien in der Möbelindustrie.

18. Tag, 26.9.94: Fahrt nach Pesina di Caprino am Gardasee:

THERMIE-relevante Themen: Brauchwasserheizung mit Flachkollektoren, deutsch- italienische Bildungs- und Kulturinitiative

19. Tag, 27.9.94: Bologna und sein Verkehrskonzept

THERMIE-relevantes Thema: Schadstoffminimierung bei Verkehr

20.-21. Tag, 28.9.-29.9.94: Biolandbau und Selbstverwaltung in der Toskana, Geothermales Kraftwerk in Larderello

THERMIE-relevante Themen: Nutzung von geothermaler Energie

Sonstiges

Fazit

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home


Einleitung: "Rollenden Zukunftswerkstätten" seit 1990

Die "Rollenden Zukunftswerkstätten" sind "Think Tanks" auf Rädern, sind gute Ideen unterwegs, sind ein interdisziplinäres und internationales Forum in Bewegung. Das Ziel: Einen sinnvollen Beitrag zu leisten zur Überwindung der globalen Krise, gute Ideen und Initiativen sichtbar zu machen, Wege zum eigenen Handeln zu finden, Menschen zu treffen und kennenzulernen, die schon ein Stück weit unterwegs sind, ihre persönlichen Utopien zu verwirklichen.

Mit Fachleuten, Journalisten und Künstlern besuchten wir bislang innovative Projekte von Berlin bis Wladiwostok, hatten Workshops und Streitgespräche von Nordwestrußland bis Ulan Bator, bewegten Ideen und Konzepte und brachten fach- und länderübergreifend Menschen mit guten Ideen, Wünschen und Konzepten zueinander.

Die ersten drei Aktionen fanden als Resultat von Glastnost und Perestroika in Rußland und der Mongolei statt:

Die "1. Rollenden Zukunftswerkstatt zwischen den Jahren" besuchte vom 27.12.91 bis 07.1.93 mit 50 Teilnehmern aus sieben Ländern sieben Städte in Nordrußland. An Bord des Sonderzuges waren Künstler, Journalisten, Wissenschaftler, Ingenieure, Verwaltungsexperten, Sozialarbeiter, Verkehrsspezialisten, ein feministisches Kabarett, eine Hannoveraner Folkband, Ärzte, Psychologen, Sonnenenergiespezialisten, Architekten, Planer, Pädagogen, Landwirte und Computerfachleute.

Die "2. Rollende Zukunftswerkstatt" bewegte sich im Juli/August 1992 mit der "Kulturkarawane" von Berlin nach Ulan Bator. An Bord dieses Sonderzuges: 340 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus 52 Ländern in ähnlicher Zusammensetzung.

Die "3. Rollende Zukunftswerkstatt" blieb aus organisatorischen und technischen Gründen mit 40 Teilnehmern klein und handlich. Sie führte uns im August 1993 als erste ausländische Reisegruppe von Novosibirsk über die "Baikal-Amur-Magistrale" nach Wladiwostok.

Die "4. Rollende Zukunftswerkstatt" fand, dank der Förderung durch das THERMIE- Programm der Europäischen Gemeinschaft, vom 9.-29.9.94 erstmalig in Westeuropa statt.

Das THERMIE-Programm fördert, kurz gesagt, Techniken im Bereich Energie, die einerseits helfen fossile Brennstoffe zu reduzieren und die anderseits eine Nutzung regenerativer Energien ermöglichen.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

Die "Europäische Vierte":

Um Inspiration, Erfindergeist und zukunftsweisendes Engagement ging es auch bei der von THERMIE geförderten "4. Rollenden Zukunftswerkstatt". Zusammen mit ost- und westeuropäischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern (Künstler, Journalisten, Ingenieure, Abgeordneten, Ministerialbeamten und anderen Multiplikatoren) unternahmen wir eine Reise in die Zukunft Europas.

THERMIE förderte die osteuropäischen Teilnehmer dieser Reise mit Zuschüssen zu den Reisekosten, Tagegeldern und Übernahme des Teilnehmerbeitrages. Insgesamt waren Teilnehmer aus 10 Nationen in unser Reisegruppe.

Der Grund für das Engagement von THERMIE war der Schwerpunkt dieser "tour de futur". Er lag dieses Jahr bei der Energie, dem Schlüssel zu Fortschritt, Mobilität und Produktivität.

Energiegewinnungs- und Energieumwandlungsprozesse sind maßgeblich beteiligt an der momentan ablaufenden globalen und regionalen Kathastrophe, von der Waldsterben und Klimaveränderungen nur die Spitze des Eisberges sind. Ob Uranbergbau, Stein- und Braunkohletagebau oder Erdölverarbeitung: Überall entstehen z.T. irreparable Altlasten und Grundwasserverschmutzungen.

Gleichzeitig stellt dieser Themenkomplex, da er gedanklich und konzeptuell noch eingrenzbar ist, einen sehr guten Einstieg in das weite Feld der notwendigen Veränderungen und des Umdenkens dar.

Wir besuchten deshalb mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Fahrt Projekte, Unternehmen und Menschen, bei denen die Weichen anders gestellt sind. Es ging aber nicht nur um Energieumwandlungs- und Energiegewinnungsprozesse, sondern auch um Konzepte der Sparsamkeit und der Einsatzoptimierung von Energie. Darüber hinaus waren auch Themen wie Demokratieentwicklung, Erwachsenenbildung, Umnutzung von Industrie- und Militärbrachen, extensive Landwirtschaft, Stadtklimaforschung, Verkehrsplanung, Selbsthilfe im Wohnungsbau, Kunst, Medien und Kommunikation, Themen dieser Reise. Während wir uns im Norden Europas schwerpunktmäßig mit Windenergie beschäftigten, war der Süden stärker von Solartechnologien geprägt. Ein Höhepunkt der Reise war sicher der Besuch der THERMIE-Ausstellung im Berliner Gro- piusbau, die in der Mitte der Reise angesiedelt war.

Die einzelnen besuchten Projekte sind mit ihren Referenten im folgenden dargestellt.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

1. Tag, 9.9.94: Martktredwitz-Kiel-Glücksburg, Begegnungen zwischen Ost und West, Ökologisches Siedlungszentrum, Hassee Kiel

THERMIE-relevante Programmpunkte: Gasblockheizkraftwerk, Solararchitektur, Energiesparende dezentrale Abwasserbehandlung, Referenten von Nordsolar und Energiestiftung Schleswig-Holstein.

Ars Baltika: Länderübergreifendes Kulturprojekt im Ostseeraum

Der Tag beginnt für uns früh. Bereits um 4.20 Uhr treffen die ersten Teilnehmer in Marktredwitz an der bayrisch-tschechischen Grenze ein. Ein lettischer und zwei russische Teilnehmer fehlen zunächst, sonst haben es alle geschafft. Da nur ein geringer Reise- kostenzuschuß gewährt werden konnte, mußte die Anreise möglichst kostengünstig gestaltet werden. Einige der Teilnehmer aus dem Baltikum, alle Teilnehmer aus Rußland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn reisten deshalb mit dem Nachtzug aus Prag an den Grenzbahnhof an, wo wir mit unserem Reisebus auf sie warten.

In Kiel treffen wir uns mit den westlichen Teilnehmern und mit weiteren Teilnehmern aus dem Baltikum, die mit der Fähre gekommen waren.

Unser Gastgeber sind zu gleichen Teilen das Umweltamt und das Kulturamt der Stadt Kiel. Die "Rollende Zukunftswerkstatt" wird damit zum Kathalysator einer ersten Zusammenarbeit dieser beider Ämter.

Zunächst treffen wir uns in der Stadtgalerie, die an das Kulturamt angegliedert ist. Als wir vollzählig sind, fahren wir gegen 18.00 Uhr in das "Ökologische Siedlungszentrum Hassee".

Hier entstand in achtjähriger Arbeit des "Vereins für ökologisches Bauen und Leben" eine Siedlung für 37 Erwachsene und 44 Kinder in der Arbeiten und Wohnen eng miteinander verknüpft sind.

Neben einem gasbetriebenen Block-Heizkraftwerk sind hier Solararchitektur, Grasdächer, ein eigener Kindergarten, der auch von Kindern aus der Nachbarschaft genutzt wird, Carsharing und eine, derzeit noch im Bau befindliche, Schilf-Binsen-Kläranlage zu sehen.

Komposttoiletten, Regenwassernutzung und ein unter baubiologischen Gesichtspunkten entstandenes Gemeinschaftshaus runden das Bild ab. Die Siedlung paßt sich, trotz nachbarschaftlicher Gewerbeflächen, gut in das Stadtgebiet ein. Es bildet mit seinen Graßdächern und Fassadenbegrünungen gewissermaßen eine humanökologische Pufferzone zwischen dem Gewerbegebiet und einem Feuchtgebiet. Einmal wöchentlich findet sogar ein kleiner Lebensmittelmarkt statt.

Die Stadt Kiel gewährt uns hier im Gemeinschaftshaus einen offiziellen Empfang. Die "4. Rollende Zukunftwerkstatt" wird von Herrn Stadtrat Erich Schirmer und von dem Initiator der "Rollenden Zukunftswerkstätten" Dipl. Ing. Samuel J. Fleiner eröffnet.

Als Referentinnen und Referenten sind geladen: Heidger Brand, BUND, Gerald Körfer, Nordsolar e.V., Dr. Krahwinkel, Energiestiftung Schleswig-Holstein, Wolfgang Wettengel, Umweltagentur e.V., Dr. Friedemann Prose, Referent für Autosubstitution und energiesparende Beleuchtungstechniken, Monika Römer-Jacobs, Kulturbüro Nord (Initiatorin des "längsten abfallarmen Picknicktisches der Welt"), Dr. Andreas von Randow, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur der Landesregierung und dort Mitarbeiter in "Ars Baltika", einer länderübergreifenden Kulturinitiative im Ostseeraum.

Für den Moorwiesenhaus e.V. übernahmen die Führungen durch das ökologische Siedlungszentrum Hassee die Architekten Falk Münchbach, Heidrun Buhse und Barbara Roesner-Wersig.

Die Stadt Kiel servierte ein vorzügliches, vollständig aus landestypischen Bioprodukten bestehendes Vollwertbuffet nebst Sekt und Selters. Gegen 22.00 Uhr ist Abfahrt nach Glücksburg.

Gegen 24.00 Uhr fallen wir alle nach einem langen und sehr intensiven Tag müde in die Betten von Artefakt e.V.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

2. Tag, 10.9.94: "artefact e.V.", Glücksburg. Kolding Hoischoole

THERMIE-relevante Themen: Stirlingantrieb, low-energy architektur besonders bei Baumaterialien (Lehm & Recyclingbaustoffe), Solarunterstützte Klärtechnik, Biogas, Energielehrpfad

Internationale Bildungseinrichtungen

Nach der Übernachtung in dem Ostseebad Glücksburg besichtigen wir das Gelände von "artefact e.V." Das Glücksburger Zentrum ist mit seiner breiten Palette von Beispielen für erneuerbare Energien und ökologischem Bauen bislang einzigartig in Deutschland. Sehen kann man hier eine breite Palette von Gebäuden aus Lehm und Recyclingmaterialien, einen Energielehr- und Demonstrationspark und nicht zuletzt die "Arte Farm" bei der Forstwirtschaft, Aqua- und Permakulturen in einem Gesamtrahmen integriert sind.Ein Teil der Gruppe hatte das Glück, bereits in den neu fertiggestellten nubischen Lehmgewölben des "artefact e.V." übernachten zu können. Hinter dem Namen "artefact" verbirgt sich ein "Zentrum für Angepaßte Technologie und internationale Zusammenarbeit", das eng mit der Universität Flensburg und zahlreichen anderen Nicht- Regierungsorganisationen (NGO) im In- und Ausland zusammenarbeitet. Unser Referent Werner Kiwitt erklärt bei einer zweistündigen Geländeführung das Planungs- und Ausbildungskonzept von "artefact". Hier werden Fachleute, die im Rahmen von Entwicklungshilfevorhaben von der Uni Flensburg eingeladen sind, in Technikfolgenabschätzung ausgebildet. Jeweils mehrere Nationen nehmen an einem Kurs gemeinsam teil. Dabei lernen die Studenten voneinander traditionelle Kulturtechniken anderer Länder, die sich in einem ähnlichen Entwicklungsstadium wie ihr eigenes befinden. Ein Schwerpunkt ist in diesem Zusammenhang Bewässerungstechnik, Energiewirtschaft und vorallem holzarmes Bauen mit freitragenden Lehmkonstruktionen.

Gleichzeitig leistet der "artefact e.V." Pionierarbeit bei baulichen Genehmigungsverfahren von selbstragenden Lehmbauten und bei der Verwendung von Baumaterialien aus Recyclingstoffen wie z.B. Blähglas aus Altglas, welche wiederum ähnlichen Bau- vorhaben zu gute kommt.

Ein weiterer und verschollen geblaubter Teilnehmer, ein Wirtschaftsjournalist aus Moskau, stößt hier zu uns. Er war einen Tag zu spät in Prag angekommen und hatte deshalb unseren Bus verpaßt.

Er kann aber nicht mit nach Dänemark einreisen, da ihm das Visum fehlt. So bleibt er über das Wochenende bei Artefakt und stößt erst wieder in Husum zur Gruppe. Der Aufenthalt tut ihm gut: Er lernt den Bau von Komposttoiletten und kehrt ausgeruht und fröhlich zur Gruppe zurück.

Für das wunderschöne Wasserschloß von Glücksburg haben wir leider keine Zeit, denn schon nach dem Mittagessen geht es weiter nach Dänemark. Wir werfen nur einen kurzen Blick von außen auf die historische Anlage. Die nächste Station, in Jütland, ist Kolding. Dort gibt es eine interessante Stätte der Erwachsenenbildung mit einem land- wirtschaftlichen Versuchsprojekt. Jesper Saxgreen von der "Kolding Hoischool" führt uns ein in seine integrierten und energiesparenden Nutzpflanzen-, Klär- und Aquakultursysteme. Darüber hinaus lernen wir auch die Schule selbst kennen. Sie entspricht in etwa den bundesdeutschen Heimvolkshochschulen und hat sich auf die Ausbildung junger Erwachsener spezialisiert. Der Unterschied hier ist, daß die Schule von ihren Schülern selbst erbaut worden ist. Bei Baukursen auf dem Schulgelände entstand Bau um Bau in Selbsthilfe und Eigenarbeit. Die Schule hat sich aber zwischenzeitlich auf die Schwerpunktthemen Umwelterziehung und Kunst festgelegt. Junge Erwachsene lernen hier praktische Ökologie und werden in verschiedenen künstlerischen Disziplinen ausgebildet. Lehmbau rangiert hier gleichberechtigt neben Computeranimation und Videoausbildung. Gegegessen wird überwiegend das, was die Schule in Ihren eigenen Gärten und Ställen produziert.

Darüber hinaus finden Qualifizierungskurse für Arbeitslose statt. Wir übernachten in zwei großzügig dimensionierten Internatsgebäuden. Die Schule hat ein Regenwassersam- melsystem, eine eigene kleine Schweine- und Geflügelzucht und eine Biogasanlage, die aber wegen der zu geringen Fäkalienmenge derzeit nicht in Betrieb ist. Dies hat aber den Vorteil, daß man die Anlage dadurch um so besser in ihrem Aufbau sehen kann.

Das "Abendprogramm" findet mit Schülern und Lehrkräften der Schule in der Schulbar statt. Unser türkischer Busfahrer entpuppt sich als ehemaliger Tanzlehrer aus Istanbul und macht den Eintänzer. Der Abend wird aber nicht allzu lange: Fahrt, Vorträge und die letzten Tage waren doch recht anstrengend und schließlich besiegt die Müdigkeit auch die hartnäckigsten Tänzer.

Die einzige, die an diesem Abend noch arbeiten muß, ist Frau Simane. Sie ist Beraterin des Ministers für Staatsreform in Riga. Am Tag vorher hat sie telefonisch erfahren, daß eine eventuelle Kabinettsumbildung stattfinden wird. Sie schreibt deshalb noch im Bus die Antrittsrede für den zukünftigen Ministerpräsidenten, die in der gleichen Nacht noch per Fax nach Riga gekabelt wird.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

3. Tag, 11.9.94: Hjulby Hegu in Spoerring/Trige bei Aarhus, Hjorthoi Samfund und Snedstedt Gaia Foundation

THERMIE-relevante Themen: Solararchitektur im sozialen Wohnungsbau, Enenergiemanagement im Gebäude, engergiesparende Baukonzepte, gemischt nationales Siedlungsprojekt

Nach weiteren Vorträgen und Rundgängen und dem Mittagessen in Kolding reisen wir weiter nach Aarhus. Auch hier mußte das Wasserschloß in Kolding, die Altstadt und die sehr sehenswerte Kunsthalle aus Zeitgründen außen vor bleiben.

In zwei Vororten von Aarhus findet man interessante Projekte im sozialen Wohnungsbau. Die Initiative "Hjulby Gruppen" regte den Bau einer Wohnanlage an, die sich deutlich von herkömmlichen Vorhaben dieser Art unterscheidet. Zwar sind die einzelnen Wohnheiten recht klein und kompakt geraten, vor der Anlage befindet sich aber ein teilverglaster, etwa fünf Meter breiter Erschließungsgang die sog. "Piazza". Die Kraft der Sonne genügt an den meisten Tagen des Jahres, um hier ein mediterranes Klima zu schaffen. Ein Großteil des sozialen Lebens spielt sich hier ab. Die Bewohner sitzen gerne lesend oder arbeitend vor ihrer Haustür, spielen Tischtennis oder treffen sich auf ein nachbarschaftliches Gespräch. Es wachsen hier selbst in der rauen Küstenregion noch Palmen und andere subtropische Gewächse. Gleichzeitig bietet ein kleiner Hügel in der Hauptwindrichtung der Anlage Windschutz.

Heizung, Klima und Wartung der Anlage liegen in erfahrenen Händen und auch sonst läuft einiges anders in diesem ungewöhnlichen "Wohnblock". Wäschewaschen und - trocknen findet in einer Gemeinschaftsanlage statt, deren Benutzung per Magnetkarte direkt vom Mietkonto abgezogen wird. Man kann sagen, die Hjulby Gruppe hat eine für Skandinavien neue Form des Wohnungsbaus initiert.

Unsere Referenten sind hier die Bewohner selbst: Die Begrüßungsansprache halten Bent Windelov und Susanne Engberg, bei Kaffee und selbstgebacken Kuchen werden alle Fragen bereitwillig beantwortet. Anschließend fährt die Gruppe noch zu einem Rundgang mit Vortrag beim Hjorthoi Samfund in den Nachbarort. Unter Federführung von Andelsam Fundet in Aarhus entstand hier eine Lehmbausiedlung in Selbsthilfe.

Alle zukünftigen Bewohner der Siedlung errichten Haus für Haus in gemeinsamer Arbeit bis zur Fertigstellung des Rohbaus. Innenausbau und Verschönerungsarbeiten werden dann individuell selbst gemacht. Es werden verschiedene Lehmbau- und Bedachungstechniken angewandt; die Häuser sind baubiologisch und unter Energiegesichtspunkten optimal. Die Selbsthilfe auf Gegenseitigkeit trägt deutlich zur Preissenkung bei. Das Besondere an dieser Siedlung sind aber nicht nur die verschiedenen Bautechniken, die zum Einsatz kommen, sondern auch die Tatsache, daß sich hier Menschen unterschiedlichster Nationalitäten gemeinsam einen Lebensraum von ganz besonderer Qualität schaffen: Europa findet in dieser kleinen Siedlung am Stadtrand von Aarhus also schon statt.

Unser nächster Gastgeber ist Hamish Stewart von der Gaia Foundation von fjordvang A/S, einer internationalen Stiftung, die sich die Förderung von Ökodörfern zum Ziel gesetzt hat. Die Stiftung betreibt direkt am Skibsted Fjord in Snedstedt ein wunderschönes Tagungshaus zwischen Weiden und Wikingergräbern. Wir lernen die Stiftung kennen und verbringen hier die Nacht.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

4. Tag, 12.11.94: Nordvestjysk Folkecenter for vedvarende Energi, Tvindseminarium

THERMIE-relevante Themen: Windenergie, Solarenergie, EG gefördertes EnergiePlus Haus, Wärmepumpen, Entwicklung regionaler Energiequellen, europäische Forschungseinrichtung.

Schon nach dem Frühstück geht es weiter. Ein THERMIE-Opet Mitarbeiter von Kobi-Consult, Peter Johansen, besucht uns in Snedstedt und begleitet uns zum Folkecenter. Hier, am Nordzipfel von Jütland hat sich ein Zentrum für die Erforschung von erneuer- baren Energien, mit dem Schwerpunkt Windenergie und Windkraftanlagen, gebildet: das "Danish Folkecenter" für erneuerbare Energien in Ydby bei Hurop. Dort besichtigen wir das Thermie-Projekt "Energie Plus Haus", den Windversuchspark und zwei sog. Ökodome: Gewächshäuser und Fischbecken unter gläsernen Kuppeln.

Hier wird mit Abwasserreinigung experimentiert, mit neuartigen Verschattungssystemen und, vielleicht das interessanteste Detail an diesem Projekt, mit der Wärmerückgewin- nung aus Kondensationsdampf im "EnergiePlus Haus". Eine Wärmepumpe sorgt für eine kühle Kondensationsleitung an der Wasserdampf unter Abgabe der Kondensationswärme wieder zu Wasser wird: Ein Problem, das in diesem Bioshelter zur Energiequelle mutiert.

Thorkild Jakobsen, Künstler, Jurist und einer der Gründer des Projekts, führt uns als be'sonderen Höhepunkt, seine selbst entwickelten Windharfen vor.

Gegen Nachmittag besuchen wir "TVIND". Hier steht Dänemarks erste und gleichzeitig größtes Windkraftanlage, die von Schülern und Lehrern der TVIND-Schule in Selbsthilfe und Eigenarbeit entwickelt und gebaut worden ist. Die Anlage entstand als konkreter Gegenentwurf zum Dänischen Atomenergieprogramm und gilt in Skandinavien als das Musterbeispiel für konstruktive außerparlamentarische Opposition.

"TVIND" selbst steht für eine Vielzahl von Alternativen im Bereich der Ausbildung und Entwicklungshilfe und gibt uns zusammen mit der Hojschool in Kolding einen guten Ein- druck von der liberalen dänischen Bildungspolitik, deren Übernahme derzeit auch in der Schweiz diskutiert wird: In Dänemark besteht grundsätzliche Wahlfreiheit der Schulform, die sich darin äußert, daß der Besuch von Privatschulen vom Staat gleichberechtig zu den staatlichen Schulen gefördert wird.

Übernachtet haben wir nach diesem langen Tag in reedgedeckten Fachwerkhäusern auf der Insel Römö.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

5. Tag, 13.11.94: Windpark "Friedrich-Wilhelm-Lübcke Koog" und Stadtwerke Husum,

THERMIE-relevante Themen: Bürgerbeteiligung im Planungsverfahren bei Windanlagen, Produktionschancen im Werftbau durch alternative Energien. EU-geförderter Windpark

Von Römö ist es nicht weit zum Friedrich-Wilhelm-Lübcke Koog und nach Husum. Hier finden wir zwei ganz unterschiedliche Konzepte von Windparks mit einer eigenen und unseres Erachtens sehr reizvollen Ästhetik. Welche Potentiale in diesen Anlagen stecken und unter welchen Voraussetzungen hier Europas größter Windpark entsteht, soll ein Schwerpunkt dieses Tages sein. In Husum wurde Windenergie eine Produktionsalternative für den stagnierenden Schiffsbau der Husumer Werften. Beim Friedrich- Wilhelm-Lübcke Koog ist die Akzeptanz der Windanlage größer als anderswo, weil hier ein Bürgerbeteiligungsverfahren durchgeführt wurde. Allerdings kommen wir wegen einer Panne unseres Busses an diesem Tag erst spät von Römö fort. Wir belassen es bei einem Blick auf die Windanlagen und sagen kurzfristig die Vorträge mit Herrn Matthiessen, Stadtwerke Husum und mit Herrn Bürgermeister Feddersen vom Friedrich- Wilhelm-Lübcke Koog wieder ab.

Der Gruppe scheint das sehr recht zu sein: Gerade das Thema Windenergie wurde in den letzten Tagen erschöpfend bei Tvind und im Folkecenter behandelt. Unser Hauptanliegen, die ästhetische Komponente von Windanlagen zu diskutieren, erreichen wir aber dennoch. Am Abend treffen wir im Lebensgarten Steyerberg ein.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

6. Tag, 14.9.94: Permakultur, integrierte Konzepte für Stadt und Land

THERMIE-relevante Themen: Energiesparende Landwirtschaftskonzepte und Siedlungsstrukturen

Zwischen Bremen und Hannover liegt unweit vom Steinhuder Meer die kleine Stadt Steyerberg. Dort war bis 1993 das Europäische Permakultur Institut ansässig, in dem alte und neue Methoden der nachhaltigen Landbewirtschaftung erforscht und entwickelt werden. Diese sehr arbeitssparenden und energieeffizienten Ansätze beziehen Gebäude- und Geländestrukturen in ein ganzheitliches Design ein, bei dem Wasser, Wind, Nutzpflanzen und Nutztiere komplexe, vielfältige und nebenbei auch sehr ästhetische Systeme bilden. In Steyerberg leben und arbeiten die Architekten und Hochschullehrer Declan und Margret Kennedy, die hier wichtige Grundlagenforschung betreiben. Margret Kennedy hat die internationale Bauausstellung in Berlin maßgeblich beeinflussen können und hat den derzeit einzigen Lehrstuhl für ökologisches Bauen in der Bundesrepublik an der Uni Hannover inne. Steyerberg ist aber nicht nur Ökodorf der technisch-landwirtschaftlichen Art, sondern auch eine selbstbestimmte Lebensgemeinschaft mit eigenen Gemeinschaftseinrichtungen.

Referent in Steyerberg ist K.H. Meyer, vom ebenfalls dort ansässigen "Ökodorfinstitut". Manche unserer Teilnehmer haben Schwierigkeiten bei der Umstellung ihrer Verdauung auf das in Steyerberg übliche Vollwertessen, das aber vorzüglich schmeckt.

An der sehr renommierten Evangelischen Akademie steht das Thema "Zukunft" ebenfalls hoch im Kurs und wir haben deshalb auch um eine kurze Übersicht über die diesbezüglichen Aktivitäten an der Akademie gebeten. Referenten sind Dr. Burmeister und der Leiter der Akademie. Der Besuch in Loccum kann als Schlüsselpunkt der Reise bezeichnet werden. Besonders die osteuropäischen Teilnehmer sind nach Loccum wir ausgewechselt. Das äußert sich in einer stärkeren Diskussionsbereitschaft und einer intensivierten Fragehaltung. Nach einem ebenfalls vorzüglichen Abendessen, zu dem uns die Akademieleitung freundlicherweise eingeladen hat, fahren wir zurück nach Steyerberg. Dort werden wir, da angekündigt, von der Dorfgemeinschaft in der "Kneipe" des Lebensgartens zum informellen Teil erwartet und lassen den Abend ausklingen.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home


7. Tag, 15.9.94: Umweltstation am Deister

THERMIE-relevante Themen: Niedrigenergie Gästehaus, Selbstversorgungslandwirtschaft

In Eldagsen-Springe unweit von Hannover besuchen wir eine weitere Zukunftsschmiede, die sich "Umweltstation am Deister" nennt.

Wir wohnen im "Niedrig-Energie-Gästehaus" und lernen bei einer umfassenden Führung über das Gelände und die vielseitigen Projekte, die hier in Selbstverwaltung realisiert werden, kennen. Gartenbau, Bodenschutz, Wasser, Energie und ökologisches Bauen werden hier im Zusammenspiel mit allen Problemen und Lichtblicken eines selbstverwalteten und freigegründeten Projekts beleuchtet.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home


8.-10. Tag, 16.9.-18.9.94: Lehmbau, Leichtbau, Fahrzeugbau und M.U.T., Gesamthochschule Kassel

THERMIE-relevante Themen: Umweltsystemanalyse, Computersimulation und Modelbildung in Bezug auf Energieszenarien, Fahrzeugleichtbau und Solarfahrzeugbau, Energieumwandlungsprozesse und Stadtklima, Energieoptimiertes Bauen, Brennwerttechologie

Unsere nächste Etappe ist die Dokumenta-Stadt Kassel. An der dortigen Gesamthochschule geht man in vielen Bereichen neue Wege. Dort gibt es ein Institut für experimentelles Bauen, in dem Grundlagenforschung in Lehm- und Leichtbautechnologien betrieben wird. Vom Fahrzeugbau über die Solartechnik bis zur Erforschung und Weiterentwicklung des Stirlingantriebes: Kassel hat mit zahlreichen Projektgruppen einiges zum Thema Bauen, Verkehr, ökologischer Stadtumbau und alternative Energietechniken zu bieten. Nebenbei erfahren wir dann noch einiges über neue Ansätze in Pädagogik und Studium. Unsere Gastgeber sind das Wissenschaftliche Zentrum III, (MUT für "Mensch-Umwelt-Technik"), die Fachbereiche Architektur-, Stadt- und Landschaftsplanung bzw. das Ost- West Wissenschaftszentrum. Wir werfen einen Blick auf das Gelände der "Dokumenta Urbana", (Referent Architekt Prof. Mike Wilkens von den Baufröschen), besuchen mit einer kleinen Gruppe die Lehmbausiedlung von Prof. Gernot Minke und lassen uns über das letzte große Beuys Projekt "1000 Eichen - Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" informieren.

Um intensiver diskutieren zu können trennen wir uns nach dem Einführungsvorträgen von Dr. Adamczak (Ost-West Wissenschaftszentrum) und Dr. Richter (Kulturamt Stadt Kassel) in drei Gruppen. Auf dem Weg über das Hochschulgelände werden wir auf die stadtökologische Relevanz der Grünplanung in der Hochschule aufmerksam ge- macht.

Die einzelnen Arbeitsgruppen leiten Dipl. Met. Lutz Katschner, Stadtklimaforscher, Prof. Dr. Hartmut Bossel, Umweltsystemanalytiker und Dipl. Ing. Thomas Gänsike, Leicht- baukonsturktion/Solarmobile. Außerdem fährt ein Teil der Gruppe nach Witzenhausen, wo sie von einem der engagiertesten Agrarsoziologen der Bundesrepublik Prof. Dr. Sigmar Groeneveld empfangen werden.

Ein weiterer Teil der Gruppe wird von Mitarbeitern des Wilhelm-Reich-Zentrums betreut. Das Abendessen am Freitag findet bei einem deutsch-türkischen Kulturverein "Arkadasch" statt. Eine Filmpremiere zu der wir wegen des Antrittsbesuchs der neuen Dokumenta-Chefin (DX) kurzfristig eingeladen wurden, verhindert den ursprünglich geplanten abendlichen Besuch bei der "Werkstatt e.V.", einer alteingesessenen Kulturinitiative in Kassel.

Der Besuch bei der Dokumenta Urbana und des Versuchshofs für ökologischen Landbaus in Witzenhausen-Eichenberg findet Samstag Vormittag ebenfalls für zwei getrennte Gruppen statt.

Die Gruppe, die von Prof. Dipl. Ing. arch. Mike Wilkens bei der Dokumenta betreut wird, informiert sich über Low-Cost-Bauen mit flexiblen Raumkonzepten und über die dort installierte Heiztechnik (Brenntwertkessel mit Flachradiatoren). Die Dokumenta Urbana war eine der ersten Siedlungen, bei der Heizsysteme mit dem Schwerpunkt Strahlungswärme im Gebäudeinneren eingesetzt wurden.

Prof. Wilkens ist begeisterter Anhänger der Car-Sharing-Idee und erklärt welche Vorzüge die hier zur Praxis gewordene Philosophie des "Nutzen statt Besitzen" zeigt.

Samstagnachmittag, -abend und sonntagfrüh sind programmfrei, was von der Gruppe dankbar angenommen wird. Im Umfeld des Wilhelm-Reich-Zentrums und der Gesamthochschule fanden sich übrigens zahlreiche interessante Gastfamilien, in denen ebenfalls sehr intensive Kontakte stattfanden.

Richter sprachen mit Journalisten, Berufspädagogen mit Künstlern, Abgeordnete mit Soziologen, Bildhauer mit Therapeuten und Lehrer mit Philosophinnen. Der Agrarsoziologe Dr. Götz Schmidt von der Arbeitsgruppe bäuerliche Landwirtschaft kümmerte sich persönlich um den polnischen Abgeordneten und Vorsitzenden der parlamentarischen Kommission für den Umbau in Polen, Jan Olzowski und besuchte mit ihm eine Reihe von unterschiedlichen Genossenschaftsiedlungen.

Witzenhausen ist übrigens ein kleines Fachwerkstädtchen im Werratal, das vielen nur durch seine zahlreichen Kirschbäume bekannt ist.

Nur wenige wissen, daß die ehemalige Kolonialschule für tropischen Landbau kurz nach der Gründung der Gesamthochschule Kassel an diese angegliedert wurde: Wir finden hier den ersten Fachbereich für ökologischen Landbau in der Bundesrepublik, der seit einigen Jahren auch sehenswerte Forschungsergebnisse vorzuweisen hat.

Eine spannende Geschichte ist das auch deshalb, weil sich der ökologische Landbau gegen eine ursprünglich recht konservative und chemiegläubige Professorenmehrheit durchzusetzen hatte, wie wir sie auch heute noch vielerorts an landwirtschaftlichen Fachbereichen finden. In Witzenhausen gibt es außerdem den noch recht neuen Studiengang "Ökologische Umweltsicherung".

In Kassel verließ uns leider Frau Simane: Ihr Minister rief sie zurück. Er war tatsächlich Premier geworden und wollte sie bei der Kabinettsneubildung dabei haben.

Am Sonntag Nachmittag fahren wir nach Berlin.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

10. Tag abends, 18.9.94: Zentrum für experimentelle Lebensgestaltung (ZEGG)

THERMIE-relevante Themen: Holzschnitzelbefeuertes Blockheizkraftwerk, Energie aus Haushalts- und Industrieabfällen, Biomassenproduktion mit Hilfe biologischer Abwasserbeseitigung, Schadstoffemissionsminimierung bei Energienutzung und -erzeugung, Umnutzung einer Militäranlage, Energiemanagement in Altbausubstanz, Strömungs- und Wirbelforschung.

Unser Gastgeber ist das "Zentrum für experimentelle Lebensgestaltung (ZEGG)" in Belzig bei Berlin. Wir finden hier ein 15 ha großes, von lichten Kiefernwäldchen umgebenes Gelände mit großem Campus, Freibad, Zeltdörfern und lauschigen Plätzen. "ZEGG ist", so seine Gründer "das Zentrum des Projekts Meiga - Netzwerk für eine humane Erde. Ein internationaler Treffpunkt und Versammlungsort für alle Menschen, die sich für eine humane und sinnvolle Zukunft einsetzen. Das ZEGG ist ein soziales, ök- ologisches und ein künstlerisches Experiment. Es ist ein Forschungszentrum für die Entwicklung von Daseinsgrundlagen für eine angst- und gewaltfreie Kultur."

Das Zentrum entstand aus einer interdisziplinären Forschungsinitiative, die sich vor 18 Jahren in Lindau am Bodensee erstmals traf. Diese Gruppe gründete 1983 mit der "Bauhütte" ein konkretes soziales Experiment in dem neue Formen des Lebens und Arbeitens in Gemeinschaften erprobt werden sollten. Die "Bauhütte" war der Rahmen für das Ausprobieren immer neuer Organisations- und Aktionsformen. Im ZEGG finden regelmäßig Seminare, Workshops und groß angelegte Treffen statt, in denen der gemeinsame Erfahrungsprozeß weitervermittelt und weiterentwickelt wird. Das große Ziel der Initiative ist es, einen Beitrag zu einer gewaltfreien und humanen Gesellschaft zu leisten. Deshalb werden ganz bewußt die Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft immer wieder in Frage gestellt, was dazu führte, daß die Gruppe besonders aus Kreisen von Kirche und konservativer Presse immer wieder vehement kritisiert wird.

Im Bereich alternative Energien leistet man hier aber unbestreitbar Pionierarbeit. Unser Referent der Öko-Ingenieur Wurster ist zwischenzeitlich mit seiner Firma Ökotec auf dem Gelände von ZEGG ansäßig. Er entwickelte ein Krefelder Verfahren der Schilf- Binsen-Klärung weiter und nutzt die nährstoffreichen Abwässer der Siedlung nach der Abtrennung fester Bestandteile, die trocken kompositiert werden, zur Biomassenproduk- tion mit Weiden, Erlen und Pappeln. Diese werden alle zwei bis drei Jahre geschnitten, getrocknet und zerkleinert und anschließend in der Heizungsanlage zusammen mit anderen Holzabfällen verfeuert. Im Gegensatz zur früheren Braunkohlenbefeuerung des Geländes stellt dies eine erhebliche Verbesserung der lokalen Umweltsituation dar.

Eine Gruppe von Physikern arbeitet ebenfalls auf dem Gelände und experimentiert im Bereich Wirbel- und Strömungsforschung. Konkrete Ergebnisse sind uns zwar versprochen, jedoch nicht wirklich präsentiert worden. Als Grund wurden uns schwebende Patentverfahren genannt.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

11. & 12. Tag, 19.9.-20.9.94: Berlin, Heizkraftwerk Reutter und die "Thermie"- Ausstellung, Ökoprojekt Ufa-Fabrik,

THERMIE-relevante Themen: Eröffnung der Thermie-Ausstellung im Martin Gropius Bau, modernes innerstädtisches Heizkraftwerk der BEWAG mit Modellcharakter, Schadstoffemissionsminderung bei Energienutzung und -erzeugung.

Am Montag Vormittag besuchen wir unter fachkundiger Führung das Heizkraftwerk Reutter in Berlin-Spandau. Dort werden wir zunächst grundsätzlich über die Problematik der Energieversorgung Berlins informiert, die immer noch stark von der Insellage Berlins in der ehemaligen DDR geprägt ist. Etwa ein Jahr nach der Maueröffnung ging man mit den Kraftwerken im Osten der Stadt in einen Netzverbund, der dazu führte, daß nun die BEWAG ihre Netzfrequenz nicht mehr selbst steuern kann. Dies führte u.a. dazu, daß Uhren, die von einer exakten Netzfrequenz abhänigig sind, seitdem nicht mehr genau gehen. Erst mit dem Anschluß des Berlin-Netzes an das Westdeutsche Netz, der Ende '96 fertig sein soll, hofft man diesen Zustand zu ändern.

Beim Kraftwerk Reutter fallen die beeindruckenden Investitionen in Umweltschutz und Wärmerückgewinnung auf, die bereits etwa 2/3 des Kraftwerksgeländes einnehmen. An- schaulich wird demonstriert, welche Anstrengungen hier von der BEWAG in den letzten Jahren unternommen wurden.

Am Nachmittag sind wir Gäste bei der Eröffnung der Ausstellung über die "Thermie"- Initiative der Europäischen Gemeinschaft. Für unsere mitreisenden Ostjournalisten ist es etwas ärgerlich, daß sie nicht zur Pressekonferenz eingeladen sind und deshalb nicht teilnehmen dürfen.

Ansonsten kommt die gut präsentierte Ausstellung bei allen Teilnehmern sehr gut an und die Eröffnungsreden finden großen Anklang. Da wir den ganzen Nachmittag für die Ausstellung reserviert haben, findet man reichlich Zeit für einen ausführlichen Rundgang und der Information an den einzelnen Ständen. Ausgestattet mit reichlich Informationsmaterial verlassen wir die Ausstellung und verbringen den Abend im Gesellschaftshaus des ZEGG.

Am nächsten Morgen fahren wir wieder von Belzig nach Berlin. Wir werden von Andreas Jahn, dem Geschäftsführer von Innotec Systemanalyse, Berlin zu einer Führung erwartet.

Deutlich wird bei diesem zweiten Besuch vor allem die Förderstrategie des THERMIE- Programms und der weitverzweigte, breit angelegte und vielschichtige Ansatz mit dem Innovationen im Energiebereich gefördert werden. Dies war für die Gruppe insofern wichtig, weil der industrielle Aspekt von Energienutzung und -verwendung sonst auf unserer Reise nicht berücksichtigt hätte werden können. Großes Interesse fanden die sauberen Kohletechnologien und der effiziente Einsatz von Energie in Unternehmen mit hohem Engergieverbrauch. Besonders Interesse fand die Sonderausstellung der Elektrofahrzeuge.

Den russischen Teilnehmern war es nicht möglich Visa für Italien, Österreich und die Schweiz zu bekommen. Da die Rückfahrt von Berlin nach St. Petersburg für sie billiger ist als z.B. von der deutsch-schweizer Grenze, entschließen sie sich bereits jetzt von der Gruppe zu trennen. Da nun auch keine Notwendigkeit mehr besteht einen deutsch- russischen Übersetzer mitzuführen und dieser ebenfalls in Berlin wohnt, beschließt auch der Übersetzer Matthias Wolfrum die Gruppe zu verlassen. Neu dazu kommen dagegen der Nürnberger Fachberater und Sozialpädagoge Siegfried Kärle, der sich auf gemischt- staatliche berufliche Bildung spezialisiert hat und eine Referentin für Fahrradtechnik und Fahrradtourismus aus Bremen: Gabi Bangelt arbeitet bereits seit einigen Jahren für den ADFC. Die beiden sind eine echte Bereicherung für die Gruppe.

Das Mittagessen fand übrigens in der ehemaligen Ufa-Fabrik statt, die für ähnliche Anlässe auf jeden Fall zu empfehlen ist. Die Küche war vorzüglich und die Ufa-Fabrik präsentiert sich heute durch ihre Grasdächer und Fassadenbegrünungen als grüne Insel im grauen Häusermeer Berlins. Seit einigen Jahren arbeitet hier ein Ökoprojekt. Bisher konnten eine Eigenstromerzeugung mit Abgaswäsche, eine ausgeklügelte Gebäudeleit- technik des Heizungssystems, eine Wärmedämmung auf der Grundlage eines Papierre- cylingmaterials, eine Regenwassernutzung und eine platzsparende Kompostierung in Rottetrommeln und Wurmkisten eingeführt werden. Liz Karnasch und Werner Wiartalla führten nach dem Essen über das Gelände. Bemerkenswert am Ufa-Gelände ist die überall spürbare Liebe zur Kunst. Es gibt kaum eine Ecke in der nicht eine Skulptur oder eine Wandbemalung sichtbar wäre. Viele freie Musik- und Theatergruppen nutzen die Anlage um zu proben oder um ein neues Programm auszuarbeiten. Die Anlage hat viel Publikumsverkehr und damit auch Vorbildfunktion weit über das Stadtviertel hinaus.

Ursprünglich war ein zweiter Besuch der Thermie-Ausstellung übrigens nicht vorgesehen. Stattdessen wollten wir von Belzig direkt nach Goslar, um dort am Grane-Stausee ein Wasserkraftwerk zu besichtigen. Die Stadt Goslar selbst war zudem vor kurzem von der Unesco zum Weltkulturdenkmal erklärt worden. Den zweiten Stop wollten wir an einem Pumpspeicherwerk am hessischen Edersee machen. Diese beiden Termine wer- den storniert, nicht jedoch das Abendprogramm und die Übernachtung in der Pfalz.: Da wir also am gleichen Tag noch nach Ebertsheim in der Pfalz wollen, unser Busfahrer aber mit der Fahrt von Belzig nach Berlin und aus Berlin heraus seine gesetzlich er- laubte Lenkzeit überschreiten würde, müssen wir eine weitere Busfahrerin aushilfsweise in Berlin engagieren, die den Bus bis Kassel fährt. Dort übernimmt ihn dann wieder der Fahrer unseres Busunternehmens.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

13. Tag, 21.9.94: Technologie- und Ökologiebetriebe Ebertsheim/Pfalz, Bildungswerk Rheinlandpfälzischer Initiativen (Forum BRI), Buntstift-Stiftung, Chor für neue Musik, Grünstadt

THERMIE-relevante Themen: Gasgefeuertes Blockheizkraftwerk, Umnutzung von Industriebrachen, biologischer Landbau und regionale Direktvermarktung, europäische Bildungsarbeit beim Forum BRI

Handwerker, Künstler und Wissenschaftler prägen ein kleines Dorf in der Pfalz, das unser nächster Halt ist. In Ebertsheim, zwischen Grünstadt und Eisenberg, befindet sich eine umgenutzte ehemalige Papierfabrik. Prof. Dr. Wolf Schluchter, Soziologe und Windkraftforscher, referiert bei der Vorstellung des Projekts über Altlasten, Kraft-Wärme-Kopplung und Forellenzucht. Hier sind in den letzten Jahren Werkstätten und Läden entstanden. Die ehemalige Fabrikantenvilla wurde in ein Wohnhaus umgewandelt. Im Park der Villa bewirtschaftet ein Biologe ein kleines Gemüsefeld mit Gewächshaus, dessen Erzeugnisse er im eigenen Laden direkt vermarktet. Auch der mittägliche Eintopf stammt komplett aus eigener Produktion.

Auf der Grundlage von zwei gasbetriebenen Ottomotoren mit Abgaswärmerückgewinnung liefert die Initiative heute Strom ins Netz und nutzt die Abwärme für Warmwasser und Heizung. Ein zusätzlicher Brennwertkessel kann an kalten Tagen zugeschaltet werden. Das Energiekonzept und seine Realisation wurden mit Hilfe externer Forschungsmittel ausgezeichnet dokumentiert und für uns von einem Fachingenieur präsentiert. Bei einem Rundgang mit anschließender Diskussion im Hof lernen wir andere Mitarbeiter und -Bewohner(Innen) des Projekts kennen. Guido Dahm vom Bildungswerk Rhein- landpfälzischer Initiativen (Forum BRI) stellte die Arbeit dieses neu geschaffenen Netzwerks für Bildungs- und Kulturarbeit im europäischen Kontext vor. Weiterhin präsentierte sich die staatlich anerkannte Landesarbeitsgemeinschaft "Anderes Lernen e.V.", die ebenfalls in Ebertsheim ihren Sitz hat. Dabei ging es um Perspektiven der beruflichen und gesellschaftlichen Bildungsarbeit. Das besondere Bonbon des Nachmittags ist ein Gespräch mit dem Dipl. Oenologen Gerd Zahnhausen, der als Weinbauingenieur bei der "Lebenshilfe für geistig Behinderte", Bad Dürkheim für Fragen des biologischen Weinbaus und der Weinherstellung verantwortlich ist. Der ausgezeichnete Wein, der hier überwiegend von geistig Behinderten hergestellt wird, wird übrigens von zahlreichen diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik als Hauswein geführt. Das Projekt hat Modellcharakter: Die Behinderten können mit der Arbeit im biologischen Weinbau ihren Lebensunterhalt sinnvoll selbst verdienen und schöpfen aus ihrer Tätigkeit wichtiges Selbstvertrauen. Der Wein schmeckt vorzüglich, wir anschließend in einer Weinprobe selbst am eigenen Gaumen überprüfen.

Nach dem Abendessen fahren wir noch nach Grünstadt: Am dortigen Leininger Gymnasium existiert unter der Leitung von Manfred Peters ein nahmhafter Chor für neue Musik, der uns an seiner Probe teilnehmen läßt. In Arbeit ist derzeit ein Requiem für den russischen Dissidenten Pavel Florenski, der unter Stalin in einem Gulag hingerichtet wurde.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

14. Tag, 22.9.94: Stuttgart, Solar e.V.

Thermierelevante Themen: Solar- und Elektrofahrzeugbau unter unterschiedlichen Aspekten, Solarluftschiff, Wasserstofftechnologie, Spiegeltechnologie, Stirlingantrieb,

Auf direktem Wege geht es nun weiter nach Süden. Stuttgart Solar ist einer der rührigsten und aktivsten Solarenergie Vereine in der Bundesrepublik. Von dort kommen nicht nur die meisten Gewinner von Solarenergie Ralleys, sondern dort wird auch an so ausgefallenen und spannenden Konzepten wie dem Solarluftschiff gearbeitet: Dieses Fahrzeug bietet derzeit die einzige Möglichkeit gesteuerte Luftmessungen in größeren Höhen durchzuführen, ohne störende eigene Emissionen des messenden Fahrzeugs. Stuttgart Solar hat sich besonders über die Ausgabe von Solaraktien einen Namen gemacht, mit denen man Solarstromkontingente für individuelle Mobilität erwerben kann.

Der Tag beginnt in einem Stuttgarter Vorort bei der Firma Kamm Solarfahrzeuge, Heinkelstraße 10, 71409 Schwenkheim. Interessant ist hier, den Unterschied zwischen alltagstauglichen Elektrofahrzeugen und Solarrennern kennenzulernen. Herr Kamm ist mehrfacher deutscher Meister, Europa und Weltmeister bei Solarwettfahrten. Sein Unternehmen ist aber auch führend bei Service und Vertrieb von Elektrofahrzeugen in Süddeutschland.

Ein glücklicher Zufall will es, daß wir bei unserem Besuch etwa ein Dutzend verschiedener Typen, einen sogar mit Kombiantrieb, zu sehen bekommen.

Mittags sind wir bei den Neckarwerken in Esslingen eingeladen. Dort testet man Elektrofahrzeuge und setzt sie im regulären Betrieb ein, um ihre Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. In einem sehr ausführlichen Vortrag werden wir über Probleme und Risiken im Fahrzeugbau informiert, der die Bedeutung des Engagements des kommunalen Unternehmens unterstreicht. Wir hören, daß die Elektrofahrzeuge auf Grund fehlender Geldmittel bei der Entwicklung noch nicht wirklich marktreif seien. Die Produzenten von Elektrofahrzeugen könnten nur zwischen 100.000 DM bis maximal 80 Millionen DM in die Entwicklung von Prototypen investieren. Im konventionellen Fahrzeugbau (Tourenwagen) dagegen wären Entwicklungskosten von 1.000 Millionen - 2.000 Millionen DM bis zur Marktreife durchaus nicht unüblich. Die Diskussion ist zunächst etwas schleppend, entwickelt sich aber dann überraschend heftig. Das Tüpfelchen auf dem "i" stellt dann das Angebot dar, selbst mit dem E-Mobil auf dem Werksgelände einige Runden drehen zu können, was besonders von den Osteuropäern begeistert wahrgenommen wird.

Am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung (ZSW) an der Stuttgarter- Vaihinger Universität (Prof. Dr. Ing. Hahne) lernen wir die dort entwickelte Spiegel- und Stirlingtechnologie kennen. Den Vortrag hält Herr Dipl. Ing. Kleih, der uns den Disk- Stirling präsentiert. Am Zentrum beschäftigt man sich u.a. mit der Entwicklung und der Erprobung von Konzentratoren, Energieumwandlern, Strahlungsempfängern und deren Hybridisierung, mit dem Einsatz des Stirling-Motors als Blockheizkraftwerk, mit der experimentellen Untersuchung der Direktverdampfung in Parabolrinnen-Solarkollektoren und Simulation der Zwei-Phasen-Strömung und des Krafwerksprozesses, der experimentellen Untersuchung des Wärmetransports in thermischen Energiespeichern, der Simulation des Be- und Entladeverhaltens dieser Speicher und der Einbindung der Speicher in Kraftwerksprozesse.

In Hinblick auf die mit dem Energieproblem verquickten Wasserprobleme erscheint besonders die solare Meereswasserdestillation von Bedeutung. Aber auch in bereits gut etablierten Technologien wie der solaren Brauchwassererwärmung und der Erprobung von Niederdruck-Dampferzeuger sieht man hier noch großen Forschungsbedarf.

Bei kommunalen und kommerziellen Gebäuden berät das Zentrum auf Wunsch sowohl im Bereich der aktiven, wie auch der passiven Solarenergienutzung.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

15. Tag, 23.9.94: Sonnenarchitektur, Vernetzung und Marktwirtschaft, Tübingen LogId und Stadtsanierungsamt:

THERMIE-relevante Themen: Energieoptimierung bei Gebäuden, passive Solarenergie, Solarenergie und Altbausubstanz

In Tübingen arbeitet eine Solararchitektengruppe mit dem Kürzel "LogId" schon seit gut zehn Jahren an Gebäudekonzepten mit minimalstem Fremdenergiebedarf bei gleichzeitig maximaler Ästhetik. Atelier und Designbüro ist ein umgenutztes Gewächshaus am Ortsrand. Zwischen Feigen, Eukalypten, Akazien, Kaffesträuchern und Passionsfrüchten entstehen Entwürfe und Konzepte solaren Bauens. Das Gebäude mit seiner dichten Vegetation begeistert spontan. Farbe, Form und Licht spielen eine wichtige Rolle. Das beeindruckenste aber an dieser Symbiose aus subtropischer Vegetation und Arbeitswelt ist ein aromatischer Duft aus Blüten, Blättern und Nadeln, der unaufdringlich die Büroluft aromatisiert.

LogId hat sich zwischenzeitlich zum wohl profiliertesten Solararchitekturbüro der Bundesrepublik entwickelt. Der bislang großte Solarbau der BRD, die Stadtbücherei in Herten, stammt aus der Feder der Tübinger Architekten unter der Leitung von Herrn Dipl. Ing. Schempp. Derzeit arbeitet man u.a. am Ausstellungspavillion der Bundesrepublik, der in Bonn gebaut werden soll.

Nahe am Stadtzentrum entsteht auf dem Gelände der ehemaligen französischen Kaserne ein neuer Stadtteil in dem Wohnen, Arbeiten und Freizeit nicht mehr getrennt sein werden und bei dessen Konzeption man auch in Sachen Auto neue Wege geht. Die Vorträge halten der Leiter des Stadtsanierungsamts Herr Feldtkeller und sein Stellvertreter Herr Hartmann. Eine gewaltige Aufgabe für das Stadtsanierungsamt, denn die Stadt wurde durch das Kasernengelände buchstäblich in zwei Teile getrennt, was durch eine vielbefahrene innerstädtische Bundesstraße noch unterstützt wird.

Angestrebt wird bewußt eine Nutzung des Geländes als Mischgebiet mit stark reduziertem Individualverkehr. PKW - Stellplätze werden von den Wohnungen und Arbeitsplätzen in der Regel genauso weit entfernt sein, wie die Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs.

Das Stadtsanierungsamt hat selbst in langwierigen Verhandlungen einen äußerst günstigen Preis mit der Bundesliegenschaftsverwaltung heraushandeln können. Nun hat die Stadt genügend Zeit das Gelände ohne großen Zinsdruck in Ruhe zu entwickeln. Kreative Berufe, kleines produzierendes Handwerk und spezialisierter Handel haben Vorrang bei der Entwicklung und Vergabe der Gebäude. Der Bebauungsplan wird, das ist ziemlich neu in Deutschland, weitgehend auf die Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer zugeschnitten. Lediglich die grundlegenden Erschließungs- und Versorgungsmaßnahmen sind bereits in Angriff genommen worden, um keine Zeit zu verlieren. Die Stadt verwertet die Grundstücke, nach den Zielen ihrer Sozial- und Entwicklungsplanung weitgehend selbst. Derzeit ist in Überlegung sogar einzelne Gebäude ganz oder teilweise mit vorzufinanzieren, falls die zukünftigen Nutzer dazu zunächst nicht in der Lage sind. Die Stadt betätigt sich hier als Investor und als Grundstücksentwicklungsgesellschaft, was weit über städtische Planungsaufgaben hinausgeht. Das jetzt freigewordene Gelände in Tübingen betrachtet man daher auch eher als Chance, denn als Problem.

Ebenfalls beim anschließenden Rundgang dabei ist Dieter Löchle. Er hat ein vom Studentenwerk in Auftrag gegebenes Kunstprojekt unter dem Titel "Kasernen in der Welt sein" realisiert. Die uniformen Kasernengebäude bekamen von ihm Bilder an die Fassade gehängt, die die Uniformität durchbrechen und den Häusern eine Identität geben sollen. Beim Betrachten hat man den Eindruck als ob künstlerische Hausnummern angebracht worden seien.

Eine weitere Buspanne verhindert unsere pünktliche Abfahrt, so daß wir erst zwei Stunden später als geplant in unserem Quartier in Bad Herrenalb eintreffen können, was aber zunächst nicht weiter tragisch ist. Wir sind Gast beim "Forum Friedenshöhe": Ein exklusives Tagungshaus für "Muse, Medizin und Management", das uns die Eigentümerin Brigitte Ruland-Mollien für zwei Tage kostenfrei zur Verfügung stellt.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

16. Tag, 24.9.94: Karlsruhe, Fachinformationszentrum (FIZ) und Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM)

THERMIE-relevante Themen: Nutzung von Datenbanken im Energiebereich, Vorstellung von einem THERMIE-Opet, Einsatzmöglichkeiten von virtuell reality

Freiburg wäre mit seiner mittelalterlichen Altstadt, den zahlreichen Wassergräben und einer Vielzahl von Kleinkraftwerken einen Besuch wert gewesen: Mit seinem unabhängi- gen "Ökoinstitut", seiner "Fördergemeinschaft gesundes Bauen" und seinem "Institut für ökologische Medienerziehung" hätte sich ein Stop hier sicher gelohnt. Die dortige "Frauenhofergesellschaft" hat in Zusammenarbeit mit dem "Bundesministerium für Forschung" und einem freien Architekturbüro ein Solarhaus entwickelt, das mit modernster Technik völlig energieautark betrieben wird. Für die Frauenhofer Forscher besonders interessant ist die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff mit Solarstrom und Brennstoffzellen unter Alltagsbedingungen. Bedauerlicherweise ist es uns nicht gelungen bei den oben angeführten Einrichtung eine Führung am Wochenende zu bekommen. So mußte die "Ökohauptstadt" Freiburg aus Fahrplangründen leider ausfallen.

Alternativ dazu war der Besuch beim Fachinformationszentrum Karlruhe und beim Zentrum für Kunst und Medientechnologie möglich. Das Programm beim FIZ wurde von Herrn Bahm und Prof. Dr. Laue zusammengestellt. Herr Tittlbach gab eine Einführung in das FIZ und das Datenbanksystem STN. Dr. B. Breitfeld übernahm den Part der praktischen Demonstration am Beispiel von Energiedatenbanken, Dr. Lankenau übernahm die Darstellung von STN für Osteuropa und Prof. Dr. Laue informierte über die ver- schiedenen Informationsprojekte und -pakete, die das FIZ zur Verfügung stellt. Für die osteuropäischen Teilnehmer stand in der anschließenden Diskussion vor allem das Kostenproblem beim Zugriff auf Datenbanken im Vordergrund: Einerseits der Erwerb und Unterhalt der notwendigen Hardware, anderseits die direkten Kosten des Zugriffs auf die Datenbanken. Auch der schlechte Zustand der Telekommunikationseinrichtungen in Osteuropa wurde angesprochen.

Das ZKM wurde von Dr. Hünnekens, Vorstandsreferent beim ZKM, vorgestellt. Im Vordergrund standen Beispiele visueller Computeranimation im Bereich Architektur und Städtebau. Über eine Computerfahrt durch das Karlsruhe Friedrich Weinbrenners und über eine digitale Rekonstruktion der antiken türkischen Stadt Chatal Hürück wurden eindrucksvoll die Möglichkeiten der Anwendung von Computern bei der Visualisierung von Architektur demonstriert.

Mit Hilfe von Datenhandschuhen und 3D-Projektion kann man tatsächlich den Eindruck der Bewegung in einer künstlichen Welt erzeugen. Beim ZKM wird durch den Einsatz einer Flugsimulatorfläche dieser Eindruck noch verstärkt. Auf Grund des Wochenendtermins mußten wir uns mit einem reinen Informationsnachmittag begnügen.

Umso größer war und ist unser Dank an die Herren vom FIZ, die trotz ihrer starken Inanspruchnahme bei der Thermieausstellung in Berlin auch noch einen wertvollen Samstag Vormittag für unsere Gruppe opferten. Auch Dr. Hünnekens kam extra für den Vortrag und die Demonstration von außerhalb angereist.

Verkehrstechnisch mußten wir an diesem Tag etwas improvisieren, da unser Bus den ganzen Tag über wegen seiner Startprobleme in der Werkstatt war. Da die Region aber über ein gut ausgebautes Schienennetz verfügt, konnten wir mit einer kleinen Verspätung doch noch das ganze Programm realisieren. Die Referenten vom FIZ holten uns freundlicherweise mit ihren Privat-PKWs direkt an der Albtalbahn ab und brachten uns von Leopoldshafen zurück nach Karlsruhe, so daß wir schließlich mit nur einem zusätzlichen Taxi auskamen. Auch für diese spontane Hilfsbereitschaft gilt unser Dank besonders Herrn Bahm und Prof. Dr. Laue.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

17. Tag, 25.9.94: "Haus Sonne" in Aitern-Multen, HTC-Solar in Lörrach, Vitra Design Zentrum in Weil am Rhein.

THERMIE-relevante Themen: Solar- und Tageslichttechnologie, energieoptimiertes Tagungungshaus, Energiesparstrategien in der Möbelindustrie.

Ein recht neues und sehr interessantes Forschungsfeld hat das geographische Institut der Uni Basel erschlossen. Die dortige Projektgruppe für akustische Landschaften beschäftigt sich mit Akustik-Design und Klangraum Forschung. Hier war ursprünglich ein Klangspaziergang mit Dr. Justin Winkler geplant, der uns mit seiner Arbeit bekannt machen wollte. Dieser Part mußte wegen Krankheit des Referenten leider ausfallen.

Wir konnten den Beitrag aber recht gut durch ein Referat von Christian Leppert erset- zen. Er betreibt schon seit einigen Jahren ein wunderschönes Tagungshaus auf dem Belchen. Hinter der Bezeichnung "Haus Sonne" verbirgt sich mehr als der Nahme eines Gasthofes. Tatsächlich ist das Haus weitgehend einergieautark geführt. Brot wird bei gutem Wetter im Solarbackofen gebacken, Brauchwasser liefern Flachkollektoren und Strom wird photovoltaisch erzeugt. Energiefressende Spülmaschinen fehlen und das Haus ist bekannt für seine ausgezeichnete vegetarische Küche. Übrigens ist das Haus auch rauch- und alkoholfrei. Und obwohl es auf über tausend Meter Höhe liegt, bestre- iten Christian Leppert und seine Lebensgefährtin die meisten der notwendigen Fahrten mit dem Fahrrad.

Eines der rührigsten und innovativsten freien Solarenergieinstitute finden wir in Lörrach. Dort hält man nicht nur einige Patente an Weiterentwicklungen des Stirlingantriebs, sondern beschäftigt sich auch mit Tageslichtsystemen und kostengünstiger Spiegeltechnologie auf der Grundlage von reflektierenden Folien. Beindruckend ist das gemeinsame Versuchsfeld von HTC- und Bohmin-Solar: Hier gibt es sozusagen Zukunftstechnologie zum Anfassen. Besonders interessant ist hier das undogmatische Miteinander von High-Tech und Angepaßter Technologie. Kurz vor der Serienreife steht ein Flachkollektor-Stirling, der in südlichen Ländern als Solarpumpe bedarfsgerecht z.B. zur Bewässerung und zur Meerwasserentsalzung eingesetzt werden kann.

Unter ästhetischen und arbeitsphysiologischen Gesichtspunkten sind die bei HTC entwickelten Tageslichsysteme von Bedeutung: Tageslicht wird über der Sonne nachgeführte Spiegel eingefangen, konzentriert und über Prismen und Glasfaserleitungen verteilt. Damit können auch Räume, die bislang nicht über Fenster mit Tageslicht versorgt werden konnten, tagsüber jetzt ohne elektrische Beleuchtung auskommen. Das hat neben der Energieeinsparung den Vorteil, daß die Menschen, die an solchen Orten ar- beiten, somit die damit zwangsläufig einem spektral falsch zusammengesetzten Kunstlicht ausgesetzt waren, nun die richtige Lichtmischung bekommen, was zu mehr Wohlbefinden und damit Gesundheit am Arbeitsplatz beiträgt. Bei der Verteilung von Tageslicht durch Prismen, kommt es am Rand der ausgeleuchteten Flächen auch noch zu ästhetisch sehr reizvollen Lichtbrechungen, gleich Farbspielen.

Auch Dipl. Ing. Michael Mitzel, leitender Ingenieur bei HTC, opferte nicht nur einen Sonntag, sondern unterbrach eigens seinen Urlaub, um unsere Gruppe in Lörrach zu empfangen.

Am Nachmittag besuchten wir die Möbelfabrik "Vitra" mit dem "Vitra-Design-Zentrum" in Weil am Rhein. Das Werk begann mit der Herstellung von Ladeneinrichtungen und ist heute einer der profiliertesten Hersteller von Büromöbeln, speziell von ergonomischen Bürostühlen. Außerdem hält Vitra eine große Zahl von Lizenzen für Designerstühle. Von Vitra wurden nicht nur die internationalen Flughäfen von Dubai oder Moskau bestuhlt, sondern auch z.B. die Gesamteinrichtung des neuen deutschen Bundestages und der EG-Kommission in Brüssel realisiert.

Was das Werk aber besonders bekannt gemacht hat, ist seine ungewöhnliche Architek- tur und das Vitra Stuhlmuseum. Das Ensemble bestehend aus zwei neuen Werken, der Feuerwehrstation, dem Konferenzzentrum und dem Museum wurde von international bekannten Architekten gestaltet. Besonders hervorstechend sind die "Fire Station" von Zaha Hadid, die monumentalen Werkzeuge (Balancing Tools) von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen und das Museumsgebäude selbst von Frank Gehry. Der Konferenz-Pavilion von Tadao Ando besticht durch seine Schlichtheit und Weltabgewandtheit. Die ungeheure Ruhe und Sammlung, die der Bau ausstrahlt, hat seine Wurzeln in der japanischen Zentradition.

Bleibt zu bemerken, daß Umweltschutz, Arbeitsschutz und eine sinnvolle Stoff- und Energiewirtschaft eine lange Tradition bei Vitra haben.

Der Stuhl "Louis 20" von Philippe Starck beispielsweise besteht aus leichtem Aluminium und Recycling-Kunststoff. Nichts an diesem Stuhl ist geschweißt oder geklebt. Der Stuhl ist reparierbar und, falls er irgendwann einmal ausgedient haben sollte, auch leicht demontierbar und damit einer stofflichen Verwertung problemlos zuführbar. Das enorm belastbare und stapelbare Modell ist besonders für temporäre Bestuhlung ein echter "Renner".

Vitra präsentiert seine Produkte auf chlorfrei gebleichten Umweltschutzpapier, versucht Betriebsabläufe wo es geht energetisch zu optimieren und verzichtet auf giftige Kleb- und Polsterstoffe. Die Produkte sind langlebig und auf minimalen Materialaufwand hin entworfen. Die Führung durch das Designzentrum leitete Frau Brauner.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

18. Tag, 26.9.94: Fahrt nach Pesina di Caprino am Gardasee:

THERMIE-relevante Themen: Brauchwasserheizung mit Flachkollektoren, deutsch- italienische Bildungs- und Kulturinitiative

Übernachtet haben wir in einer urigen Schwarzwaldhütte mitten im Südschwarzwald. Noch vor dem Frühstück fahren wir auf den Belchen und bewunderten die überragende Aussicht. Bei der Fahrt talwärts stellen wir fest, daß die Bremsenprobleme unseres Reisebusses noch nicht zu unserer Zufriedenheit behoben sind. Wir beschliessen daher, die Reise in zwei Kleinbussen (Mietwagen) fortzusetzen und den Bus zurückzuschicken. Diese Entscheidung führt dazu, daß wir erst gegen Mittag die Weiterfahrt über Pesina di Caprino nach Bologna antreten können und hat den Vorteil, daß wir von jetzt an wesentlich schneller und flexibler reisen können.

Wir hatten den "Giardino Futoro" als Übernachtungsort gewählt, da es zum einen wegen einer internationalen Kermamikmesse in Bologna unmöglich war ein Hotel zu buchen und weil zum anderen der Ort an sich sehr gut in das Konzept der "Rollenden Zukunftswerkstatt" paßte: Eine schwäbisch-italienische Initiative renovierte hier unter baubiologischen Gesichtspunkten einen alten Gutshof. Bemerkenswert heiß strömt das ausschließlich solar beheizte Wasser aus den Duschen. Das Tagungshaus liegt ruhig am Ortsrand von Pesina. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß das Projekt in überwiegend freiwilliger Arbeit realisiert worden ist.

Ein Mitglied der Initiative verbrachte gerade seinen Jahresurlaub im Giardino und erzählt formlos über das Projekt. Er legt für sich großen Wert auf die Möglichkeit hier Italienern in Arbeitszusammenhängen begegnen zu können und nennt als herausragendes Motiv ebenfalls den Eigenarbeitsaspekt. Er habe als Bewohner einer Mietwohnung und als Büroangestellter wenig Möglichkeiten sich handwerklich zu betätigen und verborgene Talente zu entwickeln. Hier habe er erstmalig selbst einen Fußboden verlegt, Möbel gebaut und an der Schilf-Binsen-Kläranlage mitgearbeitet. Sein persönliches Selbstvertrauen sei dadurch gewachsen und er habe durch die gemeinsame Arbeit auch eine andere Beziehung zu Italien bekommen. Jetzt lerne er sogar Italienisch, um seine neuen Kontakte intensivieren zu können.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

19. Tag, 27.9.94: Bologna und sein Verkehrskonzept

THERMIE-relevantes Thema: Schadstoffminimierung bei Verkehr

Bologna ist eine wunderbare alte Stadt mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Wir beschäftigen uns hier mit einem Konzept der Verkehrsentwicklung, das in den letzten Jahren für viel Aufsehen gesorgt hat. Die dortige Innenstadt sollte komplett für den Individualverkehr gesperrt werden und nur noch Liefer- und Anwohnerverkehr in die City lassen. Welche Erfahrungen man dort seither gemacht hat und wie man den öffentlichen Verkehr dort entwickelt hat, war hier unser Thema. Unser Referent ist der Städtebauingenieur Paolo Galanti, den man mit der Realisierung des Konzepts betraut hat. Er arbeitet unter der Zuständigkeit der Assesorin Anna Donati.

Das Problem der Zerstörung historischer Gebäude, bei gleichzeitiger Verschlechterung der innerstädtischen Lebensqualität durch den motorisierten Individualverkehr, teilt Bolo- gna mit vielen anderen europäischen Städten mit historischen Stadtkernen.

1984 gab es in Bologna ein Referendum bei der sich eine überwältigende Mehrheit von 75% der Bologneser Gesamtbevölkerung für eine Sperrung der Innenstadt für den motorisierten Individualverkehr aussprach. Die Trambahn war bereits 1963 demontiert worden, was heute bedauert wird. Das bestehende Bussystem konnte das ursprünglich 75 km umfassende Gleisnetz aber nie wirklich ersetzten. Die Folge war ein sprunghafter Anstieg des Individualverkehrs in den folgenden zwanzig Jahren. Obwohl das Referendum durch die Bevölkerung die Stadtverwaltung zum Handeln ermächtigte, konnte das Gesamtkonzept, wie ursprünglich geplant, nicht realisiert werden. Eine Vollsperrung der Innenstadt ließ sich nicht durchsetzen. Lediglich einige kleine Fußgängerzonen wurden erfolgreich umgesetzt. Der Ausbau eines "Park and Ride Systems" mit Parkhäusern in den inneren Vorstädten scheiterte am Widerstand der Anwohner. Die statt dessen gebauten Anlagen vor der der Stadt werden kaum von den Autofahrern genutzt, weil es keine schnelle Innenstadtverbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. Von den ursprünglich geplanten 40 km Radwegen konnte nur ein kleiner Teil realisiert werden, weil es massive Proteste durch die Autofahrer bei gleichzeitigen Finanzierungsproblemen gab. Eine ursprünglich geplante U-Bahn scheiterte ebenfalls an Geldmangel.

Der Ausbau der Vorstadtzuglinien scheiterte bislang an der trägen Bürokratie, die jede Art öffentlicher Bauarbeiten in Italien begleitet. Eine vernünftige Parkraumbewirtschaftung war ebenfalls wegen administrativer Probleme bislang nicht möglich.

Bemerkenswert ist aber, was dennoch geschafft wurde:

Mit Hilfe der Firmen "Santerro", Bologna und "Marconi", Genua wurde ein "telematisches" Überwachungssystem für die Einfahrt in die Innenstadt zu realisiert. Das System erkennt an 40 stark frequentierten Zufahrtsstraßen zur Innenstadt automatisch die Fahrzeugnummer und vergleicht diese mit dem Zentralrechner. Ist ein Fahrzeug nicht für die Einfahrt in die Innenstadt lizensiert, ergeht automatisch ein Strafmandat in Höhe von ca. 50 ECU. Über das Aufkommen an Bußgeldern wurde das System refinanziert.

Der Innenstadtverkehr konnte seit Einführung des Systems von 120.000 Autos/Tag auf 60.000 Autos/Tag reduziert werden. Insgesamt wurden 40.000 Autos linzensiert, was das maximal erträgliche Maß ist, um die geschäftlichen Aktivitäten in der Innenstadt nicht zu behindern.

Mittelfristig soll der Ausbau eines Sammeltaxisystems und der Radwege weiter gefördert werden, langfristig ist an eine Förderung emissionsarmer Fahrzeuge gedacht. Polizei und Kommune werden im Innenstadtverkehr auf ein Elektroauto nahmens "Boxel" umsteigen. Das gilt auch für den Transport von Senioren und Behinderten sowie für den innerstädtischen Lieferverkehr.

Darüber hinaus sollen weitere sieben Fußgängerzonen in der Innenstadt geschaffen werden.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

20.-21. Tag, 28.9.-29.9.94: Biolandbau und Selbstverwaltung in der Toskana, Geothermales Kraftwerk in Larderello

THERMIE-relevantes Thema: Nutzung von geothermaler Energie

Energie, Landwirtschaft und Selbstverwaltung sind unsere Themen in der Toskana. Gastgeber ist die Cooperative "La Ginestra" bei San Pangracio/Bargino unweit von Florenz, wo man seit einigen Jahren Pionierarbeit bei den Alternativen in der Landbewirtschaftung geht. Trotz Stau auf der engen Autobahn zwischen Florenz und Bologna kommen wir rechtzeitig am Abend zum Gäste- und Tagungshaus der Cooperativa wo uns die Mitglieder der Genossenschaft mit einem üppigen Abendessen und ausgezeichneten Rotwein aus biologischem Anbau erwarten. Am nächsten Morgen fahren wir zum geothermalen Kraftwerk in Larderello. Was viele nicht wußten: Italien spielt in Europa eine führende Rolle bei der geothermalen Nutzung von Energie. In Larderello ist dies in zwei Dauerausstellung eindrucksvoll dokumentiert. Besonders für die tschechischen Teilnehmer war der Kontakt hier sehr nützlich, da Geothermie auch dort eine bislang kaum genutzte Ressource darstellt. Wesentlich beeindruckender als die Ausstellung selbst sind aber die beiden Demonstrationen von geothermaler Energie, denen wir beiwohnen können. Zum einen gibt es auf dem Gelände selbst eine Austrittsstelle, ein aggressiv blubberndes Wasserloch mit Mauerfragmenten, an der schon im Römerreich Dampf für die Borsalzgewinnung gesammelt wurde. Zum anderen wurde einige Kilometer vom Kraftwerk entfernt eine Zapf- bzw. Bohrstelle kurzzeitig für uns geöffnet. Mehrere hundert Grad heißer Dampf entwich plötzlich minutenlang mit einem ohrenbetäubenden Pfeifen.

Der Nachmittag wurde in zwei getrennten Gruppen verbracht: Ein Teil wollte ins historische Zentrum von Siena, die anderen verbrachten einige Stunden an den heißen Quellen von Petriolo. Dort plätschert an drei Stellen schwefliges Thermalwasser direkt in einen kleinen Fluß. In einfachen Steinbecken kann man im Thermalwasser baden oder unter einem heißen Wasserfall duschen. Wem es zu heiß wird, kann sich im klaren Fluß, der direkt vorbei fließt, Kühlung verschaffen. Wechselbäder bringen den Kreislauf wieder auf Touren.

Zum Abendessen besuchen uns dann Mitglieder der beiden Kooperativen "Terre di Toskana" und "Paterna". In informellen Gesprächen, die dank zahlreicher von "La Gi- nestra" organisierter Übersetzer problemlos sind, können sich die Teilnehmer über das italienische Genossenschaftswesen, über Biolandbau und Vertriebssysteme informieren.

Einige Teilnehmer bleiben in Italien, die anderen fahren entweder mit dem einen Bus über Marktredwitz, dem deutsch-tschechischen Grenzbahnhof, nach Hause oder mit dem anderen bis Lörrach zurück in die Bundesrepublik.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home


Sonstiges:

1. Realisation

Die von uns ursprünglich projektierte Reise konnten wir mit kleinen Veränderungen, die auf Anregung des FIZ in Karlsruhe und durch die Einladung nach Berlin zustande kamen, aber ohne Abstriche, mit Hilfe von THERMIE erfolgreich realisieren.

2. Reisemittel

Die Wahl des Transportmittels Reisebus ergab sich aus Kosten und aus Organisationsgründen. Das Prüfverfahren der Deutschen Bahn AG bezüglich eines Sponsorings gestaltete sich denkbar langwierig, da die DB das Gutachten an ein Bonner Büro abgab. Als dieses schließlich unser Projekt für eine Förderung empfahl, war kein Budget mehr vorhanden.

Die Wahl der Bamberger Firma Eggmaier als Busunternehmen war, rückwirkend betrachtet, ein Fehler. Zunächst hatte es den Anschein, als ob es sich dabei um ein seriöses, alteingesessenes Familienunternehmen handeln würde. Bevor wir uns für dieses Unternehmen entschieden, fuhren wir eigens nach Bamberg, um den Bus in Augenschein zu nehmen, der äußerlich einen tadellosen Eindruck machte. Als es aber dann während der Fahrt Probleme mit dem Fahrzeug gab, verhielt sich das Unternehmen wenig kulant. Zunächst wollte man das Fahrzeug nicht reparieren lassen, dann nur auf kleinstem Niveau und als wir es schließlich doch in Karlsruhe in die Werkstatt bringen mußten, stellte sich heraus, daß es ein schlecht gewartetes Fahrzeug mit vielen beunuhigenden Mängeln war.

Dazu kam, daß Herr Hyna, der Geschäftsführer der Firma nach erfolgter Minimalreparatur versuchte, einen höheren als den ursprünglich veranschlagten Kilometerpreis von uns zu verlangen. Er schreckte nicht davor zurück uns über seinen Fahrer etwa eine dreiviertel Stunde auf einem Autobahnparkplatz ohne sanitäre Einrichtungen und dgl. festzuhalten. Kulant wäre gewesen, das schadhafte Fahrzeug zurück zu nehmen und uns statt dessen ein vernünftiges Ersatzfahrzeug anzubieten.

Wir entschieden uns deshalb für ein fränkisches Busunternehmen, da wir den osteuropäischen Teilnehmern eine preiswerte Möglichkeit der An- und Rückreise ermöglichen wollten. Der Betrag für Reisekostenzuschüsse und Tagegeldern war in der Fördersumme denkbar niedrig ausgefallen. Durch den Abfahrtsort Marktredwitz ergab sich für die Teilnehmer aus Rußland und Osteuropa die Möglichkeit das kostengünstigere osteuropäische Schienennetz zu nutzen.

3. Persönliche Eindrücke

Die Reise war ein großer Erfolg. Die direkte Besichtigung der einzelnen Projekte gewährte bessere Einblicke und Fragemöglichkeiten, als ein Seminar mit entsprechenden Referenten vor Ort. Zahlreiche Projekte, die wir besucht haben, standen vor ähnlichen Problemen wie sie heute die Menschen in Osteuropa haben:

Es gab viel Altbausubstanz und gute Ideen, aber nur wenig Finanzmittel. Heute sind die ehemaligen Utopien weitgehend verwirklicht: Ein anderer Umgang mit Energie, Abfall, Wasser und Abwasser ist bereits ganz selbstverständlich geworden.

Eine andere Kategorie von Projekten steckt noch im Stadium der Realisierung: Hier wur- den Kontakte hergestellt auf denen aufgebaut werden kann. Eine weitere Gruppe von Projekten diente einer positiven Selbstdarstellung der einzelnen Nationen bzw. der Eu- ropäischen Union als Ganzes. Alle Teilnehmer waren tief beeindruckt von dieser Reise und den mit ihr verbundenen Eindrücken. Es wäre für die Osteuropäer weder möglich gewesen diese Reise selbst zu organisieren, noch sie zu finanzieren.

Aber nicht nur die äußeren Eindrücke werden unvergessen bleiben; die Gruppe selbst ist wärend der Reise zu einer freundschaftlich verbundenen Arbeitsgruppe verschmolzen, die die ärgerlichen Pannen mit viel Humor und Geduld bewältigt hat.

Einzig mit den Teilnehmern aus Rußland waren wir nicht ganz glücklich.  Aus St. Petersburg hatten wir fünf Teilnehmer eingeladen.

Das angebliche Kamerateam von "Tele 5", bestehend aus zwei Personen, kam ohne Kamera, was höchst fadenscheinig begründet wurde. Ein Teilnehmer fehlte ohne ab- gesagt zu haben und auch die restlichen beiden Teilnehmerinnen machten einen sehr unprofessionellen Eindruck. Wir sind überzeugt, daß es sich um keine Journalisten handelte. Zwischenzeitlich haben wir herausgefunden, daß unsere Vertrauensperson in St. Petersburg, der wir die Auswahl der russischen Teilnehmer anvertrauen wollten, unser Anschreiben nie erhalten hat. Unser Fax wurde vermutlich abgefangen und umgeleitet. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß unsere russischen Teilnehmer versuchten auf Kosten der EG an eine günstige Westreise zu kommen und weniger an unserem inhaltlichen Programm interessiert waren, was sich durch ihr auffällig geringes Interesse an unseren Programmpunkten sehr schnell zeigte.

Auch aus Riga kam ein Teilnehmer ohne abzusagen nicht, so daß wir nicht die Möglichkeit hatten, uns um einen Ersatzteilnehmer zu bemühen. Eine weitere Teilnehmerin aus Lettland, die sich in fehlerfreiem Deutsch schriftlich bei uns vorgestellt hatte, konnte tatsächlich kaum Deutsch und auch kein Englisch, nahm aber auch unseren Dolmetscher für Russisch nicht Anspruch.

Die Vorbereitungszeit für diese Reise hat über ein Jahr in Anspruch genommen. Sie konnte nur durch sehr viel persönliches Engagement realisiert werden. Um so mehr bedauern wir, daß oben erwähnte Teilnehmer weder die qualifizierten Vorträge, noch die ihnen angebotenen Kontakte wahrnahmen und zu schätzen wußten.

Erwartungsgemäß entwickelte sich aber mit den restlichen Teilnehmern eine sehr gute Gruppe, die gegen Ende der Reise, ganz im Sinne der Werkstatt, sehr viel Eigeninitiative und Selbstverantwortung übernahm. Hervorheben möchte ich Michael Seelig: Er übernahm die Aufgabe des Fahrers für den zweiten Kleinbus in Italien und war ein wichtiger Kommunikator in der Gruppe. Frau Strpkova aus Bratislava leistete unglaubliche journaliste Schwerstarbeit: Sie berichtete für das slovakische Radio "live" von der Reise. Tagsüber sammelte sie Interviews und O-Töne. Während der Fahrten schrieb sie ihren Bericht und sichtete das Material. Am Abend sprach sie ihren Bericht auf Band und alle zwei bis drei Tage übermittelte sie ihre fertigen Textbeiträge an die Sendezentrale, die sie dann unmittelbar darauf ausstrahlte.

Dr. Sowa entwickelte eine ganze Artikelserie, die er nun in mehreren Ausgaben in "Techniky Tydenik" jeweils in einer Doppelseite publiziert. Das erste Belegexemplar hat er uns bereits zugeschickt. Auch von Gundega Repse haben wir bereits einen mehrseitigen Artikel aus Lettland zugeschickt bekommen. Sie ist Autorin und wird die Reise in einer Serie von Kurzprosa verarbeiten.

Frau Fuks, eine Malerin aus Tallin hat uns geschrieben, daß sie inspiriert durch die Reise, an einem Kinderbuch über die "Stadt der Zukunft" arbeite. Sie möchte gerne die Zeichnungen und Aquarelle nach Fertigstellung in Brüssel ausstellen. Auch die anderen Teilnehmer haben zugesagt, uns ihre produzierten Beiträge zukommen zu lassen.

Pressestimmen zur Reise werden wir, soweit sie dem Bericht jetzt nicht beiliegen, noch nachreichen. Wir haben leider bislang nicht alle angeforderten Belegexemplare der örtlichen Tagespresse erhalten. Presseresonanz gab es überdies in Form von Ankündigungen im Vorfeld. Der Süddeutsche Rundfunk (SDR 3) berichtete zweimal. Die Zeitungen "atelier", "kunst et kultur", "Ökologische Briefe", "Esotera", "Connection", "Bauwelt" und die "Süddeutsche Zeitung" kündigten das Projekt an. Während der Reise gab es zwei umfangreiche Berichte im Deutschlandfunk und bei Radio Bremen.

Wir erwarten noch Berichte in der britischen Magazin "European Brief" und in der Berliner Wochenzeitung "Wochenpost".

4. Angebot, Nachfrage, unerwartete Probleme

Eingeladen hatten wir per Rundschreiben an 3.500 Adressaten im In- und Ausland. Wir waren über die spärliche Resonanz sehr enttäuscht und vermuten, daß die Hauptursachen für das fehlende Interesse zum einen die rezessive Grundstimmung im Frühjahr '94 und die fehlende Attraktivität der Reiseroute waren: Bei den Reisen "Berlin-Ulan Bator" und nach Wladiwostok auf der Baikal-Amur-Magistrale (Rollende Zukunftswerkstatt 2 + 3) war sicherlich die Exotik der Projekte ein wesentlicher Faktor. Die erste "Rollende Zukunftswerkstatt" in Nordrußland war zudem durch einen günstigen Umtauschkurs und durch Zuschüsse durch das Russische Kulturministerium konkurrenzlos billig. Außerdem vermuten wir, daß das Projekt insgesamt für Westeuropäer zu lange angelegt war. Sollte es eine Wiederholung des Projekts in dieser oder einer anderen Form geben, dann müßte man es, um erfolgreicher zu sein, sicher kürzer und billiger anlegen. Optimal scheint eine Dauer von 9-10 Tagen zu sein (Zwei Wochenenden plus fünf Arbeitstage). Allerdings wird der Gruppenprozeß dann nicht so intensiv sein.

Der unerwartet hohe Arbeitsaufwand bei der Beantragung der Fördermittel, der (leider erfolglosen) Sponsorensuche und der Abwicklung der Visaformalitäten für die osteuropäischen Teilnehmer, absorbierte zudem viel Arbeitskraft, die man stattdessen hätte in die Pressearbeit investieren können.

Die Teilnehmer aus Rußland und dem Baltikum benötigten Visa für insgesamt fünf Länder: Dänemark, Schweiz, Österreich, Italien und die Bundesrepublik. Die Visaerteilung für Italien war am problematischsten, da man uns in Bonn nicht die richtigen Informationen gab. Dort hieß es zunächst nur, es genüge Datum und Ort des Grenzübertritts und unsere Einladung in englischer Sprache. Dann aber wollten die Konsularbeamten vor Ort Einladungen aus Italien direkt und in italienischer Sprache, die Anschriften der Hotels und ein detailiertes Programm. Das Programm in Bologna bekamen wir aber selbst erst sehr spät bestätigt, als nämlich die Reise schon lief. Die russischen Teilnehmer brauchten zudem eine Einladung aus Tschechien um eine Fahrkarte dorthin kaufen zu können. Solange kein Visum für Italien vorlag konnten keine Transitvisa für Österreich und die Schweiz beantragt werden.

Beim dänischen Visum bestand die Besonderheit, daß dieses nicht vom Konsularbeamten selbst ausgestellt wurde, sondern nur von diesem in Dänemark selbst beantragt werden konnte. Die Prozedur für die Beantragung des dänischen Visums war uns von der Botschaft in Bonn nicht mitgeteilt worden.

Man kann sagen, daß es sich bei einer gemischtnationalen Reisegruppe mit insgesamt 10 Nationen um ein echtes Novum zu handeln schien. Die Konsulate schienen ernsthaft darüber irritiert zu sein, daß eine deutsche Initiative zu einer Reise von Dänemark nach Italien einlädt.

Erwähnen möchte ich noch die Tatsache, daß wir bei den meisten Projekten keine Vortragshonorare bezahlen mußten und daß wir durch die Einladungen beim FIZ, bei der Stadt Kiel und bei der Evangelischen Akademie in Loccum Kosten für einen vollen Verpflegungstag einsparen konnten. Darüberhinaus kamen uns einige Projekte bei den Übernachtungspreisen sehr entgegen. Besonders bedanken möchte ich mich bei Frau Ruland-Mollien, die uns ihr Tagungshaus "Forum Friedenshöhe" in Bad Herrenalb für zwei Nächte kostenfrei überlassen hat. Durch das Engagement der Buntstift-Stiftung waren die Programmkosten und Übernachtungskosten in Rheinland-Pfalz kurzfristig übernommen worden. Wir verdanken dies dem Engagement von Guido Dahm vom BRI.

Durch das Engagement von Manfred Eberle, Regula Pfeiffer und Esther Weinz, Kassel, Sigmar Groeneveld, Eichenberg und Richard Meyfahrt und Heike Schaumlöffel, Vellmar, sowie der Arbeitsgruppe bäuerliche Landwirtschaft (AbL) an der Gesamthochschule Kassel war es uns möglich in Kassel in Privatquartieren kostenlos zu übernachten, was ebenfalls in der Gesamtbilanz positiv zu Buche schlägt.

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | Dokumentende | home

Fazit

Das Anliegen von THERMIE sinnvolle Innovationen im Umgang mit Energie sichtbar zu machen, wurde durch das Projekt in den meisten Aspekten erfüllt. Über die Teilnehmer aus 10 europäischen Ländern und den Besuch von drei Mitgliedsländern der EU konnte dem europäischen Aspekt der Unternehmung voll Rechnung getragen werden. Die Unterbringung in Privatquartieren ermöglichte außerdem intensive persönliche Begegnungen und Kontakte außerhalb der Reisegruppe.

Die Presseresonanz (West) der Reise hätte bei besserem Zeitbudget und bei zusätzlicher Förderung der Teilnahme von Journalisten (West) ergiebiger ausfallen können. Bei den Teilnehmern Ost gibt es kurzfristige Reaktionen (Presse), mittelfristige (Künstler) und voraussichtlich längerfristige Resultate (Ministeriale und Parlamentarier).

Über den ästhetischen Aspekt gelebter Utopien ist eine konstruktive, anti dogmatische Wirkung bei Umweltaktivisten spürbar gewesen. Praktische Ökologie wurde als Resultat sozial-ästhetischer Prozesse wahrgenommen. Zum Ende der Reise war eine Wende einer anfangs vorherrschenden konsumptiven, zu einer später vorhandenen, konstruktiven Haltung bei einigen Teilnehmern feststellbar.

Sicher hätte manche Initiative auch kritisch betrachtet werden können. Wichtig war uns jedoch stets das im Sinne einer libertär-humanistischen Ethik Förderliche und Innovative hervorzustellen. Dies schließt Projekte, die zu einer sinnvollen Energieversorgung und zu einer deutlichen Gesamtverbesserung der ökologischen und sozialen Situation beitragen, ausdrücklich mit ein.

Eine ideale Gesellschaft gibt es nicht und selbst die beste Gesellschaft ist ständig verbesserungsbedürftig. In diesem Sinne steckt unseres Erachtens die effizienteste Kritik in der Sichtbarmachung möglicher Handlungsspielräume und lebbarer Alternativen. Diese können und wollen durch ihr gelebtes Beispiel überzeugen. Sie überzeugen vorallem durch eine andere und oftmals auch attraktivere Lebensqualität.

Im Sinne eines Kunstprojekts "erfahren" die Teilnehmer neue Perspektiven persönlichen und politschen Handelns. Sie sind teil eines ästhetischen Prozesses, der unter intensiver Gruppendynamik erlebt wird. Jeder Reisende ist selbst Teil einer sozialen Plastik: Er (oder sie) erfährt es an sich, wirkt aber auch auf dritte und darüber hinaus. Die Erfahrungen selbst werden Wirklichkeit über einen neu gewonnen oder bereits vorhandenen erweiterten Handlungsspielraum.

Grenzprobleme und Grenzkonflikte gehören in einer multinationalen Gruppe zum Alltag und müssen bewältigt werden: Die Teilnahme von Politkern (hier leider nur Ost) trägt hier wesentlich dazu bei, Grenzen zukünftig flexibler und damit humaner zu gestalten.

Stand des Berichts Oktober 1994, Letzte Überarbeitung November 1997

| Inhaltsangabe | Dokumentanfang | home |